„Die Hälfte aller Unternehmen in Österreich interessiert sich für Jobrad“
Ein Interview mit dem Experten und Berater Gilbert Gugg

DI Gilbert Gugg ist einer der Programmleiter der HERRY Consult. Dieses Unternehmen leitet im Auftrag des Klimaministeriums das „klimaaktiv mobil"-Programm für alle Betriebe in Österreich: vom Konzern bis zum Einzelunternehmen. Geboten wird kostenlose Beratung für alle Fragen rund um klimafreundliche Mobilität und entsprechende Förderungen. „Jobrad" ist eines der wichtigsten Themen für Gugg und seine Kolleg:innen. Bei der Aktion wird Mitarbeiter:innen ein Rad zur Verfügung gestellt, das quasi vom Unternehmen „gemietet" wird. Die entsprechende Nutzungs-Gebühr wird vom Gehalt abgezogen. Nach fünf Jahren ist das Rad abgeschrieben und kann von den Mitarbeiter:innen übernommen werden. Ein sehr attraktives Modell, das wir uns gerne ein wenig näher erklären lassen wollen.
Herr Gugg, wie startet man Jobrad in einem Unternehmen? Die Rede ist immer von einem „Anbieter", den man dafür braucht. Stimmt das?
Gilbert Gugg: Es kann sich jedes Unternehmen frei aussuchen, ob das Projekt selbst angegangen wird oder ob man sich dafür einen Dienstleister sucht. Da gibt es in Österreich in etwa sieben oder acht größere Anbieter, die ähnliche Angebote offerieren. Aber - und das ist eine häufige Frage an uns: Es gibt keine Verpflichtung, das mit so einem Anbieter zu machen. Natürlich ist das dann nicht kostenlos, deswegen machen es manche selbst.
Und der Anbieter hilft mir eher bei der Verrechnung oder wozu brauche ich den?
Gugg: Es geht in Richtung „Sorglos-Paket". Der Anbieter rechnet das durch, stellt die Räder zur Verfügung, kümmert sich um die Versicherung etc. Es gibt von unserer Seite da keine Empfehlung. Wie gesagt: Man kann das genauso gut selbst organisieren.
Als Mitarbeiter:in kann ich mir das Rad dann schon selbst aussuchen oder?
Gugg: Ja, das ist in den allermeisten Fällen so angelegt.
Wie viele Unternehmen nutzen "Jobrad" zur Zeit?
Gugg: Das ist eine gute, aber schwere Frage. Die Zahl gibt es per se nicht, wir hätten sie auch gerne. Was wir aber sehen aus dem Beratungsprozess: Die Nachfrage ist sehr groß. Ich würde schätzen, dass sich jedes zweite Unternehmen in Österreich schon dafür interessiert. Wir kriegen so viele Anfragen...
Und sind es am Ende dann doch die Größeren, die sich dafür entscheiden?
Gugg: Es ist die gesamte Palette, vom Ein-Personen-Unternehmen bis zum Konzern. Aber was wir schon sehen: In Zeiten des Fachkräftemangels ist Jobrad ein sehr gutes Incentive, um ein attraktives Angebot als Arbeitgeber zu schnüren. Da merken wir schon, dass sich große Unternehmen verstärkt dafür interessieren.
Was sind denn die häufigsten Fragen, die Sie bekommen?
Gugg: Das hängt vom Detailgrad der Vorinformation ab. Manche fragen: Was ist Jobrad? Andere wissen schon recht genau Bescheid, da geht es beispielsweise um steuerliche Detailfragen. Die häufigste Frage ist wahrscheinlich die nach der Möglichkeit der Gehaltsumwandlung. Da geht es also um den monatlichen Betrag, der vom Gehalt abgezogen wird. Und ob das vom Brutto- oder vom Netto-Gehalt passiert.
Und die Antwort?
Gugg: Es hängt davon ab. Es ist grundsätzlich möglich, das vom Brutto abzuziehen, was es steuerlich besonders attraktiv macht. Da ist aber die Voraussetzung, dass man mit dem Abzug dann nicht unter den kollektivvertraglichen Mindestlohn rutscht, das wäre sonst Lohndumping. Was im Umkehrschluss heißt, es muss ein Kollektivvertrag existieren. Und das Gehalt muss drüber liegen. Die Regelung wurde 2021 vom Finanzministerium beschlossen.
Wie lange läuft das Leasing?
Gugg: Normalerweise vier oder fünf Jahre. Die vier Jahre hängen mit der Förderung zusammen, diese Frist ist nämlich mindestens vorgesehen. In diesen 48 Monaten muss das Rad im Besitz des Unternehmens verbleiben. Die fünf Jahre hingegen haben mit der steuerlichen Abschreibung zu tun.
Wird nach den fünf Jahren das Unternehmen noch etwas von mir haben wollen für das Rad?
Gugg: Nein, nach den fünf Jahren hat es keinen Restwert mehr und übernommen werden.
Ist das eigentlich ein urbanes Thema oder gibt es Jobräder bereits in allen Teilen Österreichs?
Gugg: Interessanterweise zweiteres. Es gibt Flächenbundesländer, wo es etwas schwieriger ist, aber ansonsten ist es kein reines Stadt-Thema. Übrigens ist die Förderung nicht an Jobrad geknüpft, es ist nur eine sinnvolle Kombination.
Gibt es Empfehlungen von Ihrer Seite, wenn ein Unternehmen noch zögert?
Gugg: Also einen Tipp für größere Unternehmen hätte ich: Vielleicht nicht gleich mit allen Mitarbeiter:innen beginnen, sondern mit einer kleineren Gruppe. Danach kann man es breiter ausrollen mit den Erfahrungen. Der Werbeeffekt ist ebenso positiv wie der Effekt auf das Image als Arbeitgeber.
Was brauche ich denn an Unterlagen, wenn ich mich bei Ihnen beraten lassen möchte?
Gugg: Keine. Wenn Sie schon Vorinformationen haben: gut. Aber es ist nichts an Unterlagen dringend nötig.
Welche Räder sind eigentlich betroffen, auch Lastenräder?
Gugg: Es gibt von der Modellauswahl keine Grenzen. Gerade Transporträder sind da oft ein Thema. Aber auch E-Bikes sind möglich.
Muss ich mich beeilen, läuft die Aktion irgendwann aus?
Gugg: Die aktuelle Förderperiode läuft Ende Februar aus. Wir wissen heute noch nicht, wie die nächste Periode aussehen wird. Aber wir gehen davon aus, dass das Thema an Wichtigkeit noch weiter zulegen wird. Wie genau die Aktion aussieht, werden die Budgetverhandlungen Anfang 2024 zeigen.
Vielen Dank für das Interview!
Webtipp:
Mehr über die Aktion Jobrad finden Sie auf der Website: https://www.klimaaktiv.at/mobilitaet/radfahren/job-rad.html
Infos:
klimaaktiv mobil - Mobilitätsmanagement für Betriebe, Bauträger und Flottenbetreiber
HERRY Consult
E-Mail: betriebe@klimaaktivmobil.at
Web: https://www.klimaaktiv.at/mobilitaet/mobilitaetsmanagem/betriebe.html
Tel: 01 / 504 12 58 - 50