Radverkehr in Graz: Das sagt der Fachhandel
Die Situation des Radverkehrs in Graz steht einmal mehr im öffentlichen Rampenlicht. Baustellen zwingen RadfahrerInnen zu Umwegen und rufen negative Stimmung hervor. Besonders in den sozialen Netzwerken formen sich Gruppen, die für eine bessere Radinfrastruktur eintreten. Die Radlobby ARGUS übt heftige Kritik an der Stadtregierung und nimmt diese in die Pflicht, die Mobilitätsstrategie 2020 umzusetzen. Eine Gruppe kommt jedoch in der öffentlichen Debatte kaum zu Wort: die Grazer Fahrradhändlerinnen und Fahrradhändler. Dennoch haben sie als "Expertinnen und Experten" ihres Fachs fundiertes Wissen über die Interessen der Radfahrerinnen und Radfahrer sowie die notwendige Infrastruktur. Wir haben sie befragt und ihre Meinungen zur aktuellen Situation und zur Zukunft eingeholt.
Die Facebookgruppe "Radfahren in Graz" dient als Netzwerk für all jene, die über den Grazer Radverkehr diskutieren wollen. Sie gilt als führende Plattform der RadlerInnen im sozialen Netz. Zusätzlich fungiert die
Radlobby ARGUS Steiermark als Interessenvertretung für alle, die sich dem Zweirad verschrieben haben. Zielscheibe beider Gruppen ist vor allem die Politik der Stadtregierung. Die Umsetzung der
Mobilitätsstrategie der Stadt Graz scheint gefährdet. Besonders die Punkte "Nachhaltigkeit" und "Sanfte Mobilität" werden als mangelhaft umgesetzt kritisiert.
Umfrage beim Fachhandel
Wie sehen nun die Expertinnen und Experten im lokalen Fahrradhandel die Infrastruktur? Sie wurden von uns befragt, um ihre Perspektive darzulegen. Sie schilderten die aktuelle Situation, gaben einen Ausblick auf die Zukunft und machten Verbesserungsvorschläge.
Die Ergebnisse fielen nicht nur negativ aus, dennoch gibt es vielerorts Verbesserungsmöglichkeiten. 50% der Befragten sehen die momentane Situation als „ausbaufähig an", ein Drittel sogar als „gut, aber noch mit Potential". Nur für ein Sechstel ist die Grazer Rad-Infrastruktur „stark ausbaufähig". Einigkeit herrschte bei der Frage der medialen Berichterstattung. Sämtliche Befragte befinden, dass der Radverkehr hier unterrepräsentiert ist und nicht genug beachtet wird. Ebenso halten es 100% der Teilnehmer für wichtig, die Radmobilität stärker in den öffentlichen Fokus zu bringen.
Notwendige Verbesserungen
Sowohl die Qualität als auch die Quantität der Radwege hat der Umfrage zufolge noch Potential nach oben. Noch fehlen Radwege im Bereich vieler doppelspuriger Straßen, wie der Kärntner Straße, der Triester Straße oder der Grabenstraße. Die Wege sollten generell verbreitert werden und baulich von Straßen für andere Verkehrsteilnehmer getrennt sein. Während die Infrastruktur in der Innenstadt von Graz bereits in einem guten Zustand ist, benötigt vor allem die Anbindung an die Randbezirke und Graz Umgebung eine Verbesserung. Auch die Beleuchtung von Radwegen wurde mehrmals gewünscht, jedoch mit geringerer Priorität.
Trends und Entwicklungen
Ein Trend sind, wie sich herausgestellt hat, E-Bikes, welche den Radverkehr fördern. 2017 wurden alleine in Österreich über 120.000 Elektrofahrräder verkauft. Dass sich der E-Bike-Verkehr längst nicht mehr nur auf die Stadt beschränkt, zeigt eine Statistik des ÖAMTC: 67.000 der elektrischen Fahrräder und damit mehr als die Hälfte waren bereits Mountainbikes.
Immer mehr Menschen steigen auch aufgrund von Staus und der schwierigen Parkplatzsuche mit einem Auto auf das Fahrrad um. Insgesamt ist für die HändlerInnen eine klare Zunahme an RadfahrerInnen erkennbar. In der Stadt mit dem Rad zu fahren sei speziell in Graz „auch ein Ausdruck eines modernen Lifestyle[s]". Besonders stark ist das Potential des Radverkehrs im geplanten Stadtteil Reininghaus. Mit einem Fahrradhighway könnte eine schnelle Verbindung zur Innenstadt geschaffen werden.
„Wie sonst keine Stadt" hat Graz eine nicht zu unterschätzende Radcommunity. Ohne große öffentliche Zugabe blüht und gedeiht die Mountainbike-Szene, der Absatz von E-Bikes steigt stark an. Dieses Phänomen ist nicht nur österreichweit statistisch erfasst, sondern auch in Graz spürbar.
Der Fachhandel fordert auch, selbst stärker eingebunden zu werden. Auch wenn die Politik noch zu wenig Ressourcen für den Radverkehr zur Verfügung stelle, biete Graz sehr gute Grundbedingungen für das Radfahren. Für eine zukunftsorientierte Stadt sei jetzt der Zeitpunkt, sich für eine neue Generation der Mobilität vorzubereiten.